Bauforderungssicherungsgesetz

Vor dem Bundesverfassungsgericht blieb jetzt eine Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des Bauforderungssicherungsgesetzes ohne Erfolg.

Bauforderungssicherungsgesetz

Das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen (Bauforderungssicherungsgesetz -BauFordSiG) dient dem Zweck, Bauhandwerker und andere Baubeteiligte, die mit ihren Arbeiten in Vorleistung treten, vor Forderungsausfällen, insbesondere bei einem Bankrott des Bauunternehmers, zu schützen. In seiner ursprünglichen Fassung stammt es aus dem Jahr 1909. Die Zunahme der Stadtbevölkerung hatte ab Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland zu einem erheblichen Anstieg des Grundstückshandels und der Nachfrage nach Bauleistungen geführt. Bauunternehmer kauften Grundstücke und errichteten Neubauten, ohne dabei selbst als ausführende Bauhandwerker tätig zu werden. Da das zu bebauende Grundstück regelmäßig als Sicherheit für die Kaufpreisforderung des Grundstücksverkäufers und das zur Finanzierung des Baus aufgenommene Baugelddarlehen diente, waren die ausführenden Bauhandwerker, die mit ihren Arbeiten in Vorleistung getreten waren, bei einem Bankrott des Bauunternehmers nicht hinreichend gesichert und fielen mit ihren Forderungen weitgehend aus. Diesem Missstand sollte das ursprünglich 67 Paragrafen zählende Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen vom 1. Juni 1909 entgegenwirken. § 1 verpflichtete den Empfänger von Baugeld, dieses zur Befriedigung solcher Personen zu verwenden, die an der Herstellung des Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Lieferungvertrags beteiligt waren. § 5 enthielt einen Straftatbestand, der im Wesentlichen dem heutigen § 2 BauFordSiG entsprach.

Auf Initiative des Bundesrats wurde das Gesetz durch Artikel 3 des Gesetzes zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz – FoSiG) vom 23. Oktober 2008 novelliert. Anlass war, dass vor allem Handwerker und mittelständische Unternehmen des Baugewerbes in den neuen Bundesländern seit längerer Zeit erhebliche Forderungsausfälle und daraus resultierende teilweise existenzbedrohende Liquiditätsschwierigkeiten beklagt hatten. Durch das Forderungssicherungsgesetz erhielt das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen seinen heutigen amtlichen Kurztitel. Insbesondere wurde die Vorschrift des § 1 BauFordSiG ausgeweitet, die den Empfänger von Baugeld verpflichtet, dieses nur zur Befriedigung von Forderungen solcher Personen zu verwenden, die an der Herstellung des Baus aufgrund eines Werk-, Dienst- oder Lieferungvertrags beteiligt waren. Von dieser Baugeldverwendungspflicht sollten nunmehr alle Gelder erfasst werden, die ein Unternehmer in der Kette nach dem Bauherrn erhält, auch Eigenmittel. § 2 BauFordSiG enthält einen die Fälle einer Zuwiderhandlung regelnden Straftatbestand, der im Wesentlichen der früher in § 5 erfassten Strafbestimmung entspricht.

Etwa ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Forderungssicherungsgesetzes brachten die Bundesregierung und parallel dazu die Fraktionen der CDU/CSU und SPD einen Gesetzentwurf ein, der darauf abzielte, die Auswirkungen des Bauforderungssicherungsgesetzes für die von der Baugeldverwendungspflicht betroffenen Bauunternehmen abzumildern (BR-Drs. 443/09; BT-Drs. 16/13159; vgl. dazu BR-Drs. 443/09 )). Insbesondere sollte die Verpflichtung entfallen, das Baugeld nur speziell für die konkrete Baumaßnahme zu verwenden, für die es gezahlt wurde. Zur Begründung hieß es, die Ausweitung des Baugeldbegriffs stelle insbesondere die Unternehmen, die eine Vielzahl von Bauwerken gleichzeitig betreuen, in der Praxis vor Umsetzungsprobleme, die erheblichen bürokratischen Aufwand und darüber hinaus unvorhergesehene Liquiditätsprobleme verursachten. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen wurden jedoch größtenteils nicht umgesetzt. Mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen vom 29. Juli 2009 wurde letztlich – abgesehen von einer sprachlichen Korrektur – lediglich das Entnahmerecht für Eigenleistungen nach § 1 Abs. 2 BauFordSiG ausgeweitet.

Die Beschwerdeführer – ein Bauunternehmen in der Rechtsform der GmbH mit den Schwerpunkten Verkehrswegebau, Ingenieurhoch- und -tiefbau, Rekonstruktion von Bestandsbauwerken sowie Schlüsselfertigbau sowie deren Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter – rügen eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Zudem verstoße die Strafvorschrift in § 2 BauFordSiG gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 11 AEMR, Art. 6 EMRK.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, des Bestimmtheitsgebots und der Unschuldsvermutung geltend machen, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie nicht hinreichend substantiiert begründet worden ist. Im Übrigen ist sie unbegründet, da die Beschwerdeführer durch die angegriffenen Regelungen nicht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit verletzt werden.

Die durch das Forderungssicherungsgesetz in ihrem Anwendungsbereich erheblich ausgeweitete Pflicht zur zweckentsprechenden Verwendung von Baugeld greift zwar in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der Berufsfreiheit ein, dieser Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Das Bauunternehmen als Beschwerdeführerin kann sich als inländische juristische Person gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf das Grundrecht der Berufsfreiheit berufen. Durch die Verpflichtung, empfangenes Baugeld entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zu verwenden, wird sie in diesem Grundrecht beeinträchtigt. Aus einem Eingriff in die Berufsfreiheit des Bauunternehmens folgt zwar nicht automatisch ein Eingriff auch in die Berufsfreiheit ihres Gesellschafters und Geschäftsführers als weiteren Beschwerdeführer. Aber unabhängig davon, ob dieser selbst als Baugeldempfänger anzusehen ist, ist eine Beeinträchtigung seiner Berufsfreiheit jedenfalls wegen der ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer drohenden Sanktionen in Form von Schadensersatzansprüchen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 BauFordSiG) und Strafbarkeit (§ 2 i.V.m. § 1 BauFordSiG) anzunehmen.

Der Eingriff ist gerechtfertigt. § 1 BauFordSiG genügt den Bestimmtheitsanforderungen, die sich aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben. Danach dürfen Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung erfolgen, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die erforderlichen Vorgaben ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben müssen; es genügt, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen. Ob § 1 BauFordSiG darüber hinaus auch den besonders strikten Bestimmtheitsanforderungen aus Art. 103 Abs. 2 GG genügt, bedarf dagegen an dieser Stelle keiner Erörterung.

§ 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG lässt sich ein klares, in Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG hinreichend bestimmtes Handlungsgebot entnehmen: Empfangenes Baugeld ist, soweit kein Ausnahmetatbestand vorliegt, zur Befriedigung der im Gesetz genannten Personen zu verwenden. Daraus ergibt sich ebenso klar ein Verbot, Baugeld anderweitig zu verwenden; insbesondere darf es nicht zur Deckung der eigenen allgemeinen Unkosten oder zur Tilgung anderweitiger Verbindlichkeiten eingesetzt werden. Weiter folgt aus Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte der Norm eindeutig, dass Baugeld nur zur Befriedigung solcher Baugläubiger eingesetzt werden darf, die für genau die Baustelle tätig geworden sind, für die das Baugeld gegeben wurde.

Zu der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Maße ein Baugeldempfänger das Baugeld vor dem Zugriff Dritter zu sichern hat, lässt sich dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG dagegen zwar keine eindeutige Handlungsanweisung entnehmen. Es ist aber nicht erkennbar, dass sich diese Frage nicht mit allgemeinen Auslegungsgrundsätzen beantworten ließe. § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG steht auch nicht in einem rechtsstaatlich bedenklichen Normwiderspruch zum Insolvenzrecht. Aus dem Rechtsstaatsprinzip lässt sich zwar herleiten, dass Rechtsnormen derart aufeinander abzustimmen sind, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, die Rechtsordnung also widersprüchlich ist. Dies ist aber nur bei einem echten Normwiderspruch der Fall, also dann, wenn der vermeintliche Widerspruch durch Auslegung und Kollisionsregeln nicht zu beheben ist. Abgesehen davon, dass die von den Beschwerdeführern beschriebene Spannungslage zwischen den tendenziell gegenläufigen Regelungszielen von Bauforderungssicherungsgesetz und Insolvenzordnung nur bei einer bestimmten Auslegung von § 1 BauFordSiG auftritt, zeigen die Beschwerdeführer nicht auf, dass der von ihnen behauptete Widerspruch sich nicht mit Hilfe anerkannter Auslegungsmethoden und Kollisionsregeln bewältigen ließe.

Der Eingriff in die Berufsfreiheit genügt auch materiell den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Für beide Beschwerdeführer stellt das Gebot der zweckentsprechenden Verwendung von Baugeld eine Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit dar. Reine Berufsausübungsbeschränkungen können grundsätzlich durch jede vernünftige Erwägung des Gemeinwohls legitimiert werden. Allerdings müssen Eingriffszweck und Eingriffsintensität in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Gemessen an diesem Maßstab ist das Ziel des Bauforderungssicherungsgesetzes und seiner Novellierung durch das Forderungssicherungsgesetz, Bauhandwerker und andere Baubeteiligte vor Forderungsausfällen zu schützen, nicht zu beanstanden.

Es ist derzeit nicht festzustellen, dass die angegriffenen Regelungen zur Erreichung dieses Zwecks nicht geeignet wären. Ein Mittel ist bereits dann im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann, wobei die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt. Auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung gebührt dem Gesetzgeber ein besonders weitgehender Einschätzungs- und Prognosevorrang; es ist Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Unter dem Gesichtspunkt mangelnder Eignung wäre eine Regelung nur dann verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn das eingesetzte Mittel objektiv untauglich oder schlechthin ungeeignet wäre. Das ist im Falle des Bauforderungssicherungsgesetzes nicht zu erkennen.

Zwar kam dem Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen vor der Novellierung keine große praktische Bedeutung zu, und seine Wirksamkeit wurde auch von der Bundesregierung überaus kritisch bewertet. Mit der Neuregelung sollte das Gesetz aber gerade „modernisiert, verbessert und insgesamt praktikabler gestaltet werden“. Kern der Novelle war eine erhebliche Ausweitung des Baugeldbegriffs. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass damit auch die praktische Bedeutung der Regelungen steigen würde. Eine vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingesetzte Arbeitsgruppe kommt zwar zu dem Ergebnis, dass das Gesetz auch nach seiner Änderung in der Praxis so gut wie nicht beachtet werde. Doch selbst wenn dieser Befund zutrifft, lässt sich daraus schon wegen des vom Gesetzgeber gewählten Regelungsmechanismus derzeit noch nicht zwingend auf eine objektive Untauglichkeit des Gesetzes schließen. Denn Verstöße gegen die Vorgaben des § 1 BauFordSiG führen in der Regel erst mit einiger zeitlicher Verzögerung zu zivil- und gegebenenfalls auch strafgerichtlichen Verfahren und Sanktionen, weshalb sich auch die Auswirkungen der Regelungen möglicherweise erst nach einigem Zeitablauf hinreichend verlässlich beurteilen lassen.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass die angegriffene Baugeldverwendungspflicht zur Zweckerreichung ungeeignet wäre, weil sie den Baugläubigern aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen keinen wirksamen Schutz bieten könnte. Zum einen ist das Verhältnis der Baugeldverwendungspflicht zum Insolvenzrecht in der fachgerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Unabhängig davon lässt sich derzeit nicht feststellen, dass der mit dem Bauforderungssicherungsgesetz verfolgte Zweck, Baugläubiger in stärkerem Maße vor Forderungsausfällen zu schützen, vollends vereitelt würde, wenn Baugeldempfänger nicht auch zu einer insolvenzfesten Sicherung verpflichtet wären. Denn dadurch würden das Verbot, Baugeld selbst zu verbrauchen oder an Dritte zu zahlen, und die aus einem Verstoß resultierenden Schadensersatzansprüche von Baugläubigern nicht beeinträchtigt.

Auch gegen die Erforderlichkeit des Eingriffs bestehen derzeit keine Bedenken. Hinsichtlich der Erforderlichkeit einer wirtschaftsordnenden Maßnahme, die den Freiheitsraum für die wirtschaftlich tätigen Individuen einengt, steht dem Gesetzgeber hinsichtlich der Auswahl und der technischen Ausgestaltung ein weiter Bereich des Ermessens zu; nicht jeder einzelne Vorzug einer anderen Lösung gegenüber der vom Gesetzgeber gewählten muss schon zu deren Verfassungswidrigkeit führen. Die sachliche Gleichwertigkeit zur Zweckerreichung muss vielmehr bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststehen.

Angesichts dieses Maßstabs ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber es nicht bei der früheren engeren Regelung belassen, sondern sich für eine Ausweitung der Baugeldverwendungspflicht entschieden hat, insbesondere nachdem die mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 vorgenommenen Änderungen des Werkvertragsrechts nach seiner Einschätzung den seit langem beklagten Missstand nicht beseitig hatten.

Auch ist unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber in § 1 Abs. 1 Satz 1 BauFordSiG an der Pflicht zu einer baustellenspezifischen Baugeldverwendung („des Baues“) festgehalten hat. Zwar hatten die Bundesregierung und die Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Jahr 2009 in ihren Gesetzentwürfen zur Änderung des Bauforderungssicherungsgesetzes die Auffassung vertreten, der Zweck, diejenigen im Insolvenzfall zu schützen, die mit ihren Leistungen den Wert von Baumaßnahmen steigern, könne auch erreicht werden, ohne die Verwendungspflicht auf die konkrete Baustelle zu beziehen. Eine solche Lockerung würde für Baugeldempfänger ein erheblich größeres Maß an Flexibilität und eine geringere Beeinträchtigung ihrer Liquidität mit sich bringen. Gegen ein solches Vorgehen machte der Bundesrat aber im Wesentlichen zwei Einwände geltend: Zum einen äußerte er die Befürchtung, dass eine Aufhebung der Verpflichtung zur baustellenspezifischen Verwendung dazu führen würde, dass überschuldete Bauträger und Generalunternehmer „im Schneeballsystem immer wieder «alte Löcher stopfen» könnten“. Dies würde nach seiner Einschätzung dazu führen, dass sich wirtschaftlich angeschlagene Bauträgergesellschaften und Generalunternehmer zu Lasten der am jeweils jüngsten Projekt beteiligten Subunternehmer länger am Markt halten könnten, während diese Subunternehmer von der geltenden Fassung der Norm geschützt würden. Zum anderen, so die Prognose des Bundesrats, würde der Wegfall der Verpflichtung zur baustellenspezifischen Verwendung dazu führen, dass der Schutz von Subunternehmern nicht mehr praktikabel gewährleistet wäre, weil sie – nach dem Wegfall entsprechender Dokumentationspflichten – in der Regel nicht mehr in der Lage wären, die Darlegungen des Baugeldempfängers über die zweckentsprechende Verwendung zu erschüttern. Angesichts dieser schlüssigen Einwände lässt sich derzeit nicht feststellen, dass eine um die Pflicht zur baustellenspezifischen Verwendung gelockerte Baugeldverwendungspflicht in jeder Hinsicht zur Zweckerreichung gleich geeignet wäre.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass der angestrebte Zweck ohne die unmittelbar drohenden zivil- und strafrechtlichen Sanktionsmechanismen in gleicher Weise zu erreichen wäre. Gerade dieser Haftungsdurchgriff bedingt die Wirksamkeit des Gesetzes. Ohne die Haftung wären Verstöße gegen die Baugeldverwendungspflicht sanktionslos. Die besondere Bedeutung des Durchgriffs auf das handelnde Organ ergibt sich daraus, dass der Forderungsausfall der Baugläubiger zu einem Zeitpunkt eintritt, zu dem Maßnahmen gegen eine juristische Person als Baugeldempfänger regelmäßig keine nennenswerte Wirkung mehr haben.

Der Eingriff ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein. Es ist derzeit nicht zu erkennen, dass dies hier nicht der Fall wäre.

Die Beschwerdeführerin wird durch die in § 1 BauFordSiG normierte Baugeldverwendungspflicht erheblich in ihrer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beeinträchtigt. Ihr wird – abgesehen von den Ausnahmeregelungen in Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 – verboten, Baugeld zu anderen Zwecken als zur Befriedigung der am konkreten Bauvorhaben beteiligten Baugläubiger zu verwenden. Deshalb kann sie das Geld auch nicht dazu benutzen, ältere Forderungen aus anderen Baumaßnahmen zu begleichen, also andere Baugläubiger zu befriedigen. Damit entfällt die Möglichkeit eines „Cash-Poolings“ im Rahmen des Liquiditätsmanagements. Für die Beschwerdeführerin folgt daraus, dass sie in größerem Umfang als bisher auf Eigenkapital oder Zwischenfinanzierungen angewiesen sein wird. Hinzu kommt, dass solche Zwischenfinanzierungen – auf Grundlage der fachgerichtlichen Rechtsprechung zur alten Fassung des Gesetzes – möglicherweise schwerer zu erlangen sind. Darüber hinaus bringt die Baugeldverwendungspflicht für die Beschwerdeführerin zu 1) einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich. Dieser ist umso höher, je höhere Anforderungen man an die Verpflichtung eines Baugeldempfängers stellt, das Baugeld vor dem Zugriff Dritter zu schützen, etwa wenn man generell für jede Baumaßnahme die Einrichtung eines Treuhandkontos für erforderlich hält.

Die Beschränkung der Liquidität von Baugeldempfängern wurde schon in der Vergangenheit in begrenztem Umfang durch das Entnahmerecht nach § 1 Abs. 2 BauFordSiG abgemildert. Dieses Entnahmerecht ist durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen erheblich ausgeweitet worden. Zwar sind noch nicht alle Fragen zur Auslegung dieser Vorschrift in Rechtsprechung und Schrifttum abschließend geklärt. Es ist aber nicht zu erkennen, dass verbleibende Unschärfen und die Ausfüllungsbedürftigkeit des Begriffs „angemessenen Wertes“ die Bestimmtheit oder die Praktikabilität der Vorschrift nachhaltig in Frage stellen würden.

Die gleichwohl verbleibenden erheblichen Beeinträchtigungen der Beschwerdeführer stehen nicht außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber legitimerweise bezweckten Schutz der Baugläubiger vor Forderungsausfällen. Es ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber insoweit seit vielen Jahren von einem ganz erheblichen Missstand ausging. Angesichts des Volumens, das die Forderungsausfälle in der Bauwirtschaft erreicht haben, und der teilweise existenziellen wirtschaftlichen Folgen, die sich daraus insbesondere für Bauhandwerker ergeben, darf der Gesetzgeber auch solche Schutzmaßnahmen ergreifen, die die Berufsausübungsfreiheit der Baugeldempfänger erheblich einschränken.

Soweit die Beschwerdeführer sich vor allem durch eine Pflicht zur Sicherung des Baugelds vor dem Zugriff Dritter beeinträchtigt sehen, ist zudem zu berücksichtigen, dass sich die von ihnen als unzumutbar beschriebenen Anforderungen nicht zwingend aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur alten Fassung des Gesetzes lassen sie sich zumindest nicht ohne Weiteres in dem von den Beschwerdeführern beklagten Umfang entnehmen. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass § 1 BauFordSiG mit Hilfe anerkannter Auslegungsmethoden nicht in einer Weise ausgelegt werden könnte, die einerseits dem von der Vorschrift gebotenen Schutz der Baugläubiger vor Forderungsausfällen und andererseits dem von Art. 12 Abs. 1 GG geforderten Schutz der Baugeldempfänger vor einer unzumutbaren Beeinträchtigung ihrer Berufsfreiheit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Rechnung tragen würde.

Dem beschwerdeführenden Geschäftsführer drohen zwar mit dem Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 1 BauFordSiG sowie der Strafbarkeit nach § 2 BauFordSiG erhebliche Sanktionen. Dass diese in ihren Auswirkungen außer Verhältnis zum verfolgten legitimen Zweck stünden, ist weder mit der Verfassungsbeschwerde dargetan noch sonst ersichtlich.

Der Gesetzgeber wird jedoch die weitere Entwicklung zu beobachten haben. Es gehört zu den Aufgaben des parlamentarischen Gesetzgebers, mögliche Missstände zu ermitteln, die sich aus der Anwendung von Gesetzen ergeben. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass sich die Eignung und die Auswirkungen gesetzgeberischer Maßnahmen zum Schutz des Bauhandwerks vor Zahlungsausfällen nur in begrenztem Umfang vorhersagen lassen. Dies gilt auch für die Wechselwirkungen verschiedener Sicherungsmittel. Gerade wegen solcher prognostischen Unwägbarkeiten steht dem Gesetzgeber ein besonderer Gestaltungsspielraum zu. Daraus folgt aber auch die Pflicht, die weitere Entwicklung umso sorgfältiger zu beobachten und gegebenenfalls korrigierend einzugreifen. Dessen sind sich die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe im vorliegenden Fall auch bewusst. Ihnen muss für die notwendige Beobachtung und Evaluierung hinreichend Zeit gegeben werden.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Januar 2011 – 1 BvR 3222/09